Bezirk Aue​rbach

Rathenaustraße 5
08209 Auerbach

Nur in der Hingabe fand ich mein Leben

Lätare, Johannes 6, 47-51

„...und so sagen wir Bettina Wenenauer ein herzliches Dankeschön für ihre Bilder.“ Mit diesen Worten beendete der Leiter der Galerie seine Laudatio auf Bettina. Artig spendeten die Anwesenden der Vernissage Beifall und warteten gespannt auf die Erwiderung von Bettina. Wenn sie freilich gehofft hatten, Bettina würde ihnen nur einige artige Worte sagen, sahen sie sich enttäuscht. Schon nach den ersten Worten begriffen alle, dass es hier nicht nur um eine höfliche Antwort auf eine Dankesrede ging.

„Meine Damen und Herren! Wenn Sie heute durch diese Ausstellung gehen, dann werden sie feststellen, dass es zwei Arten von Bildern gibt, mit denen ich versuche, unsere Wirklichkeit einzufangen.“ Mit diesen Sätzen begann Bettina ihre Darstellung. Und sie wusste genau, dass das Folgende nicht nur auf Zustimmung stoßen würde.

„In der zweiten Periode meines Schaffens habe ich viele biblische Motive aufgenommen. Und ich bin überzeugt, dass diese Motive nicht nur Ausdruck eines religiösen Gefühls vergangener Zeiten sind, sondern unser heutiges Leben betreffen. Ich möchte Sie damit anregen, tiefer über den Sinn des Glaubens nachzudenken.“

Bettina sah sofort, dass es zwei, nein eigentlich drei Reaktionen auf ihre Aussage gab. Die einen nahmen ihre Worte ziemlich gleichgültig zur Kenntnis. Andere brachten ihre Missbilligung mit einem abweisenden Gesicht zum Ausdruck. Und die dritte Art von Besuchern schaute überrascht und gespannt zu ihr hin. Bettina ließ sich nicht beirren.

„Um mich und meine Bilder zu verstehen, möchte ich Ihnen aus meinem Leben erzählen.“ Jetzt wurden auch die Gleichgültigen munter. Das schien ja direkt spannend zu werden.

„Mir ging es als Kind fast wie dem berühmten kleinen Michel. Allzu oft schlug meine Mutter die Hände über den Kopf zusammen. Ich zog mich dann in eine Ecke zurück und zeichnete. Das gab mir einfach die innere Ruhe wieder. Nicht anders war es in der Schulzeit. Einmal hatten wir Chemie-Unterricht. Das war ein Fach, das ich gar nicht mochte. Unser Lehrer gab sich redliche Mühe. Einige kennen ihn vielleicht noch. Es war Herr Alfred Seidel.“ „Und ob wir ihn kennen!“ Aus den hintern Reihen kam dieser Zuruf. „Er ist sogar hier!“ Bettina riss ihre Augen auf. „Herr Seidel“, rief sie. „Kommen Sie bitte zu mir.“ Als der alte Herr zu ihr trat, umarmte sie ihn spontan. „Wenn diese Mann nicht wäre, stände ich heute nicht hier“, rief sie. Ohne ihr Zutun begannen die Besucher zu klatschen.

„Es war in eben einer der Unterrichtsstunden. Ich hörte nicht zu, sondern begann Herrn Seidel an seinem Experimentiertisch zu zeichnen. Dabei vergaß ich die Umwelt. Und ich hörte auch nicht, wie er mich aufrief. Plötzlich stand er neben mir und schaute auf das Blatt Papier. ‚Mädel, wo hast du das gelernt?’, fragte er. ‚Schenk mir bitte das Bild.’ Ich gab es ihm. Und er fuhr im Unterricht fort, ohne mir einen Tadel oder gar Eintrag zu geben. Am Nachmittag war er bei meiner Mutter. Und damit begann mein Werdegang als Künstlerin. Eines ist mir dabei geblieben. Alle meine Bilder malte ich mit solcher Hingabe wie damals im Chemieunterricht. Das Malen wurde mein Brot, oder um es mit dem biblischen Wort zu sagen, es wurde mein Manna, das mir von Gott als Gabe geschenkt zugleich mein Lebensinhalt wurde. Wann immer ich an einem Bild arbeitete, vergaß ich Raum und Zeit und manchmal auch das Essen. Und dann kam jener Einschnitt in meinem Leben, der sich auch auf das Schaffen auswirken sollte. Ein mir nahestehender Mensch starb plötzlich. Ich fragte mich in dieser Zeit, ob dies das Leben wirklich war. Sie werden es nicht glauben. Ich begann die Bibel zu lesen. Und eines Tages las ich Johannes 6. Die Worte Jesu ‚Ich bin das Brot des Lebens’, ließen mich nicht mehr los. Dann war es soweit. Ich habe mich seither nicht mehr nur dem Manna, sprich der Malerei


, hingegeben, sondern zu alleeerst diesem Christus. Ich male nach wie vor mit ganzer Hingabe. Aber nun nicht mehr für mich, sondern für meinen Gott. Und in diesem Sinne sollten Sie auch die Bilder betrachten.“

Mit diesen Worten endete Bettina. Es gab an diesem Abend noch viele Gespräche.

Volker Schädlich